Leistungsdruck in der Schule, Cybermobbing oder familiäre und finanzielle Probleme – viele Kinder fühlen sich regelmäßig gestresst. Das kann auf Dauer gesundheitliche Folgen haben. Im Interview gibt eine Psychologin Tipps, wie Eltern ihre Kinder besser unterstützen können, ab wann sie sich professionelle Hilfe holen sollten und was sich selbstbestimmt vorbeugend tun lässt.

Stress bei Kindern: Vorsorge ist besser als Nachsorge

Eigentlich sollte die Kindheit eine Zeit voller Unbeschwertheit sein. Doch viele Kinder fühlen sich regelmäßig gestresst, wie aktuelle Studien zeigen. Im Präventionsradar des gemeinnützigen Instituts für Therapie- und Gesundheitsforschung (IFT-Nord) berichtete knapp die Hälfte der befragten Schülerinnen und Schüler, dass sie sich in den Jahren 2020 und 2021 oft bis sehr oft gestresst fühlte – ein ernst zu nehmendes Problem. Zwar ist Stress selbst keine Krankheit; sobald er chronisch wird, kann er jedoch psychische und physische Folgen haben.

Insbesondere in der Corona-Pandemie ist die Belastung für Kinder, Jugendliche und Eltern stark gestiegen, dies belegt auch eine aktuelle Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung.
Lea Beyer ist Psychologin und kennt die Zusammenhänge aus ihrem Berufsalltag. Im Interview gibt die Expertin Tipps, wie und wo Eltern von gestressten Kindern Hilfe finden und vor allem, wie sie Stress vorbeugen können.

Frau Beyer, woran erkenne ich Stress bei Kindern?
Stress gehört auch zum Alltag von Kindern, dies muss nicht immer schädlich sein. Genauer hinschauen sollten wir dann, wenn Kinder sich in ihrem Wesen sehr verändert zeigen, also zum Beispiel, wenn ein sonst eher ruhiges Kind plötzlich aggressiv reagiert oder sich noch weiter zurückzieht. Typische Stressreaktionen von Kindern kennen wir von uns Erwachsenen. Dazu zählen Unwohlsein, Nervosität, Rückzug, Ängstlichkeit, Reizbarkeit, Aggressivität, Teilnahmslosigkeit, Kopf- oder Bauchschmerzen. Häufig ist es bei Kindern so, dass sich Stress bei ihnen zuerst auf der Körperebene zeigt, sie zum Beispiel Bauchschmerzen bekommen. Daher muss man erst mal auf Spurensuche gehen und herausfinden, was hinter den körperlichen Symptomen steht. Häufig zeigt sich Stress bei Kindern auch in Schlafstörungen oder Schlafschwierigkeiten. Sie brauchen länger als gewöhnlich zum Einschlafen, wachen nachts häufiger auf, haben Albträume.

Hat Stress bei Kindern generell zugenommen?
Seit Beginn der Corona-Pandemie hat das Stressempfinden bei Schulkindern deutlich zugenommen. Hier waren Kinder und Jugendliche enormen, vorher nie gekannten Belastungen ausgesetzt, denken wir zum Beispiel an Maskenpflicht und Homeschooling. Vor diesem Ausnahmezustand sind zwar auch die Zahlen der Kinder und Jugendlichen in Psychotherapie gestiegen. Dies liegt jedoch vorwiegend daran, dass offener mit psychischen Problemen umgegangen wird beziehungsweise diese weniger tabuisiert werden, was erfreulich ist.

Ist Stress per se etwas Negatives?
Nein! Wenn wir über Stress reden, ist es wichtig zu erwähnen, dass es auch positiven Stress gibt, zum Beispiel eine Klassenarbeit, auf die man gut vorbereitet ist. Für unsere Vorfahren in der Urzeit war Stress sogar überlebenswichtig. Wenn sie auf der Suche nach Nahrung durch die Savannen streiften und plötzlich ein Säbelzahntiger vor ihnen stand, wurde der Körper in Alarmbereitschaft versetzt, damit sie angemessen reagieren konnten. Dank der ausgeschütteten Stresshormone waren sie hellwach und zu sportlichen Höchstleistungen fähig. Das funktioniert auch heute noch so. Energiereserven werden mobilisiert, der Stoffwechsel wird angeregt. Stress kann uns regelrecht beflügeln, beim Sport und in Prüfungssituationen ist das zum Beispiel von Vorteil.

Und welche Art von Stress ist ungesund?
Schwierig wird es, wenn es lang anhaltend wird und es zu keiner Erholung mehr kommt. Dies war zum Beispiel in der Corona-Pandemie der Fall: eine belastende, nicht bewältigbare Situation, die nicht antriebssteigernd wirkt. Keiner konnte sagen, wie lange der Zustand andauern wird, auch wir Eltern nicht.

Prof. Ulrich Hegerl
Versuchen Sie als Eltern, mit gutem Beispiel voranzugehen, was die Stressbewältigung betrifft. Kinder sind von uns abhängig und lernen immer am Modell.

Welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie auf Kinder?
Die Statistik zeigt, dass Corona einen großen Effekt hatte, denn 2020 ist die Zahl der Kinder und Jugendlichen in Psychotherapie noch einmal stark gestiegen. Auffällig ist, dass die Kinder, die sowieso schon stark belastet waren, weil es in ihren Familien zum Beispiel finanzielle Sorgen oder Probleme mit Alkohol gibt, auch durch die Pandemie stärker betroffen sind. Für sie ist die Schule ein Pfeiler, der durch die pandemiebedingten Schließungen wegbrach. Das gilt auch für Hobbys, die die Kinder sonst vom Alltag abgelenkt haben.

Kann ein erhöhtes Stresslevel bei Kindern auch andere Krankheiten fördern?
Ja, das kann es. So wird zum Beispiel Diabetes durch Stressempfinden verstärkt. Aber auch Übergewicht kann eine Folge sein, denn das Stresserleben setzt oft ungesunde Kompensationshandlungen in Gang, zum Beispiel ein ungesundes Essverhalten. Das Thema Übergewicht spielt seit der Pandemie eine große Rolle bei Schulkindern. Ein erhöhtes Stresslevel kann außerdem Allergien, Neurodermitis, Reizdarmsyndrom und entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn fördern.

Wie beuge ich Stress bei Kindern am besten vor?
Wichtig ist es, bei uns selbst anzufangen. Kinder sind von uns abhängig und lernen immer am Modell. Deshalb sollte man sich als Elternteil fragen: Wo bin ich gestresst? Wie gehe ich damit um? Für Ausgleich und Entspannung gibt es viele Möglichkeiten: Lesen, Sport, bewusstes Durchatmen, Entspannungsübungen, autogenes Training, Yoga, Fantasiereisen und einiges mehr. All diese Dinge können wir auch mit Kindern gemeinsam machen.

Versuchen Sie, mit gutem Beispiel voranzugehen, was die Stressbewältigung betrifft. Sich selbst weniger Druck zu machen ist ebenfalls wichtig. Wenn es an einem Tag zum Beispiel noch so viel im Haushalt zu tun gibt, dann lasse ich mein Kind heute eben mal „Sesamstraße“ gucken – auch, wenn der Medienkonsum sonst auf eine halbe Stunde begrenzt ist. Eltern müssen nicht perfekt sein! Falls Sie mal in einer Situation überreagiert haben, sollten Sie die Ursache offen ansprechen. Teilen Sie Ihrem Kind zum Beispiel mit, dass sie heute viel Ärger bei der Arbeit hatten und dass Sie deswegen müde sind und eine kurze Pause brauchen, auch wenn Sie sehen, dass Ihre Kinder Spiel und Spaß wollen. Sie dürfen sich auch für Ihr Verhalten entschuldigen. Das zeigt den Kindern: Fehler sind erlaubt und gehören zum Leben dazu.

Ein Schulkind sitzt vor einem Laptop, hat die Brille abgenommen und reibt sich die Augen
Ein Schulkind sitzt vor einem Laptop, hat die Brille abgenommen und reibt sich die Augen

Stressfaktor Schule: Wie kann ich meinem Kind helfen?
Auch hier ist es wichtig, den Druck rauszunehmen und Verständnis zu haben. Schulalltag ist einfach richtig anstrengend. Loben Sie Ihr Kind unabhängig von den Noten. Nach der Schule sollten Sie schauen, was Ihr Kind braucht. Manche benötigen Ruhe, andere möchten sich noch mal richtig austoben, das ist individuell.

Wie stark die Schule als Stressfaktor wahrgenommen wird, hat viel mit dem Sozialstatus zu tun, wie das aktuelle Präventionsradar zeigt. Kinder aus sozial schwachen Haushalten haben ihr Stresslevel in der Schule viel höher bewertet – das hat vermutlich viel mit Leistungsdruck zu tun.

Stichwort Social Media und Cybermobbing: Was sind Ihre Erfahrungen?
Aus meiner Arbeit weiß ich, dass Mädchen durch die sozialen Medien besonders unter Stress stehen. In der Pandemie scheinen diese eine noch wichtigere Rolle eingenommen zu haben: Wie schlank muss ich sein? Wie kurvig? All die gefilterten Bilder bei Instagram erhöhen den Druck. Außerdem ist Cybermobbing ein wichtiges Thema. Meine Erfahrungen zeigen, dass das Gespräch hier ganz besonders wichtig ist. Dadurch erhält man die Chance, in die Lebenswelt der Kinder einzutauchen. Ich musste zum Beispiel erst verstehen, dass die virtuelle Welt für Schulkinder heute dieselbe ist wie die echte. Es ist also wichtig, die digitale Welt als Teil der realen Welt anzuerkennen. Sie gehört dazu. Deswegen sollten wir unsere Kinder in diese Welt begleiten, über mögliche Risiken aufklären und Altersbeschränkungen von Apps, Videospielen und so weiter beachten. Es ist ratsam, dabei nicht alles grundsätzlich abzuwerten und, wenn nötig, klare Regeln bezüglich Medienzeit und was in dieser Zeit konsumiert wird, aufzustellen.

Was können Eltern tun, wenn sie den Verdacht haben, dass ihr Kind von Cybermobbing betroffen ist?
In solchen Fällen ist es wichtig, mit den betroffenen Jungen und Mädchen zu sprechen, ihnen Möglichkeiten aufzuzeigen, wie sie sich schützen können. So ist es zum Beispiel möglich, die entsprechende App eine Weile zu löschen und mit Freundinnen und Freunden über andere Kanäle zu kommunizieren. Auch Onlineberatungsangebote sind eine gute Option. Der Weg führt hier immer über Kommunikation, nicht über Kontrolle. Sonst besteht die Gefahr, dass sich Ihr Kind verschließt.
Ganz wichtig: Lassen Sie sich nicht verunsichern, falls Ihre ersten Versuche scheitern. Ich ermutige Eltern immer, dranzubleiben und sich nicht verunsichern zu lassen, falls das Kind das Gespräch bei den ersten Versuchen abblockt.

Mutter und Tochter machen zusammen Sport
Mutter und Tochter machen zusammen Sport

Ab wann sollten sich Familien professionelle Hilfe holen?
Immer dann, wenn Sie sich als Eltern dem nicht mehr gewachsen fühlen. Der Richtwert lautet: wenn die Stresssymptome beim Kind nach drei Monaten nicht weniger werden. Die wichtigste Kompassnadel liegt aber in uns selbst. Sobald wir merken, dass wir keine Ressourcen mehr haben, ist es Zeit, sich Hilfe zu holen, zum Beispiel in Beratungsstellen oder Therapieeinrichtungen.

Wie häufig fallen Kinder aufgrund von mentalen Gesundheitsproblemen wie Stress im Schulunterricht aus?
Das lässt sich so genau gar nicht sagen. Was man weiß, ist, dass etwa fünf Prozent der Schulkinder von Schulangst betroffen sind. Dies hängt oft mit dem Stressempfinden zusammen. Die Kinder haben dann das Gefühl, etwas sei nicht bewältigbar. Schulangst kann aber auch durch andere Faktoren ausgelöst werden, die von zu Hause mitgebracht werden – etwa die Trennung der Eltern oder einen Schulwechsel.

Erleben Sie es öfter, dass Eltern sich scheuen, professionelle Hilfe hinzuzuholen?
In der Tat. Insbesondere bei Familien mit mittlerem bis hohem Sozialstatus ist der Anspruch der Eltern an sich selbst oft sehr hoch. Diese Familien fallen auch seltener im System auf. Bei lang anhaltenden Problemen sollten wir nicht warten, bis wir an unsere Grenzen kommen. Es ist völlig okay, sich Hilfe zu holen. Vorsorge ist besser als Nachsorge!

Sicher ist sicher: finanzielle Vorsorge für die ganze Familie

Es gibt Dinge im Leben, die sollten wir nicht auf die lange Bank schieben. Der Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung für Schulkinder (BU) zählt dazu. Mit der Swiss Life BU 4 YOU können Sie Ihr Kind bereits ab dem zehnten Lebensjahr absichern. So sind Sie für den Ernstfall bestens gewappnet. Und der tritt oft schneller ein als gedacht: Chronische Erkrankungen, Unfälle oder psychische Leiden wie Depressionen können auch Kinder treffen und finanziell folgenschwer sein, zum Beispiel, wenn eine Vollzeitbetreuung des Kindes oder Rehamaßnahmen notwendig werden. Umso besser, wenn Sie für sich und Ihre Familie rechtzeitig vorgesorgt haben.

Jetzt informieren!

Erfahren Sie jetzt, welche Vorteile eine frühzeitige Berufsunfähigkeitsabsicherung für Schülerinnen und Schüler haben kann: Profitieren Sie von einem günstigen Beitragssatz, denn die Gesundheitsakte von Kindern weist oft noch keine oder nur wenige Vorerkrankungen auf. Auch die spätere Berufswahl Ihres Kindes hat in diesem Fall keinen Einfluss auf den Beitragssatz.

Für die gesamte Familie: die Branchenlösungen

Schon gewusst? Wir bieten für jede Branche die passende Lösung: Falls Sie in der Metall- oder Klinikbranche tätig oder Mitglied der Bergbau-, Chemie- oder Energiebranche sind, kann auch Ihr Kind von unseren verschiedenen Branchenlösungen MetallRente, KlinikRente oder ChemieRente (AKS Flex) profitieren. Denn bei diesen Tarifen sind Ihre Familienangehörigen zielgruppengerecht mit abgesichert.

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